DHI Moskau
Wehrmacht und sowjetische Kriegsgefangene in Russland: 1941-1944
Projektbeginn: 2020
Projektende: 2023
Förderer: DFG
Antragsteller/-in, Sprecher/-in, Projektleitung: Andreas Hilger
beteiligte Personen: Matthias Puchta
Themengebiet: NS-/Faschismusgeschichte
Ort: Russland
Die Mehrheit der insgesamt knapp sechs Millionen sowjetischer Kriegsgefangener in deutschem Gewahrsam gelangte nicht in das Heimatkriegsgebiet, sondern verblieb oder starb in den besetzten Gebieten. Dieser Teil der NS-Massenverbrechen ist bisher nicht systematisch aufgearbeitet. Während die Situation der sowjetischen Kriegsgefangenen im Deutschen Reich bis auf die Ebene der Lager inzwischen als gründlich untersucht gelten kann, liegen für die eroberten und besetzten sowjetischen Gebiete bislang lediglich Überblicke im Gesamtkontext deutscher Kriegsführung und Militärbesatzung vor. Der Schwerpunkt dieser Studien liegt auf den Jahren 1941/1942. Die zweite Kriegshälfte ist generell weit weniger gut erforscht. In der sowjetischen Geschichtsschreibung wurde die Thematik weitgehend ignoriert; die post-sowjetische Forschung hat sie bis heute gleichfalls kaum aufgegriffen.

Das Projekt setzt sich zum Ziel, diese Lücke zu schließen: Es konzentriert sich auf den Herrschaftsbereich der Wehrmacht in Russland und dehnt den chronologischen Fokus auf die Jahre bis 1944 aus. Es verfolgt auf der Grundlage von zum großen Teil neu erschlossenen Archivbeständen deutscher und sowjetischer Provenienz einen multiperspektivischen Ansatz, indem es hinsichtlich der konkreten Behandlung von Gefangenen sowie der Erfahrung von Gefangenschaft Spannungen zwischen teils widersprüchlichen politisch-ideologisch-militärischen Zielvorgaben, dem Kriegsgeschehen und Grundverständnis und -zielen der Akteure der Wehrmacht vor Ort auslotet und deren Wechselbeziehung mit Dynamiken der Lagergesellschaft sowie individuellen Überlebensstrategien der Gefangenen in den Blick nimmt. Tiefenbohrungen zu ausgewählten Lagerorten und -gruppen, die für die sich ändernden Grundkonstellationen von Krieg und Besatzung stehen – Smolensk, das Dreieck Velikij Novogorod-Pskov-Leningrad, die Linie Kursk-Voronež sowie die Räume Krasnodar und Stalingrad/Rostov – erfassen die dynamische, wechselvolle Gewichtung einzelner Einflussfaktoren für die gesamte Kriegsgefangenschaft im direkten Machtbereich der Wehrmacht. Das Projekt befindet sich am Anfang der Archivrecherchephase, die sich wegen der Corona-Lockdowns schwierig gestaltet.