Aby Warburgs Vermächtnis und die Zukunft der Ikonologie

Bilderfahrzeuge

Der Begriff „Bilderfahrzeuge“ wurde geprägt durch den deutschen Kunsthistoriker Aby Warburg. Er beschreibt ein Konzept, das für Warburg von höchster Wichtigkeit war, da seine Arbeit versuchte die Kontinuitätslinien zwischen Antike und Renaissance herzustellen – Linien, die, wie er empfand, ausschließlich aus einer „Bildwanderung“ entstanden. Selbstverständlich war Warburg weder der Einzige, der an diesem Problem interessiert war, noch der Erste, der sich damit auseinandersetzte. „La Migration des Symboles“ die Studie von Graf Goblet D’Alviella aus dem Jahr 1891 ist ein frühes Beispiel für eine Reihe von Arbeiten, die einen ähnlichen Ansatz verwendeten. Dennoch war es Warburg, dem es gelang, das Phänomen selbst bildlich darzustellen: in Form seines berühmten Bilderatlasses, dessen Protagonisten – Motive, deren Wanderung durch Raum und Zeit über den Verlauf der verschiedenen Tafeln deutlich wird – nichts anderes als Bilderfahrzeuge sind.

 

Förderer und Partner

Das Projekt „Bilderfahrzeuge – Aby Warburg’s Legacy and the Future of Iconology“ widmet sich der Erforschung der Wanderung von Bildern, Objekte, Waren und Texten, kurz gesagt der Wanderung von Ideen in einem breiten historischen und geografischen Kontext. Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und von der Max Weber Stiftung in Kooperation ausgeführt. Arbeitsschwerpunkt ist das Warburg Institute in London, weitere Mitglieder des Forschungsverbunds sind das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris, die Humboldt-Universität zu Berlin, das Kunsthistorische Institut in Florenz und das Warburg Haus der Universität Hamburg. Jede der Institutionen wird durch einen der fünf Professoren repräsentiert, die das Projekt leiten: Andreas Beyer (Universität Basel/Paris), der zudem als Sprecher des Forschungsverbunds fungiert, Horst Bredekamp (Berlin), Uwe Fleckner (Hamburg), Bill Sherman (London) und Gerhard Wolf (Florenz)

 

Ziele

Der Forschungsverbund strebt einen grundlegenden Beitrag zur Kulturgeschichte an – durch eine Bild- und Ideengeschichte, die in interdisziplinärer und internationaler Forschung erarbeitet wird. Durch ihre besondere Expertise im Umgang mit Bildern hat die Kunstgeschichte die Möglichkeit die eigenständige Bedeutung des Bildes zu etablieren und diese wiederum als unabhängigen und konstitutiven Aspekt in einer interdisziplinären Kulturwissenschaft einzubringen. Gleichzeitig besteht einer der besonderen Vorzüge des Projekts darin, dass der spezielle Charakter des Bildes im Fokus steht ohne einen Widerspruch zwischen Bild und Sprache herzustellen. Stattdessen wird versucht, den komplementären Aspekt von Sprache nachzuzeichnen. Da die Kunstgeschichte im Allgemeinen ein prädestinierter Partner für weitreichende, interdisziplinäre Forschung ist, nutzt auch ganz besonders das Projekt Bilderfahrzeuge den interdisziplinären Dialog, um einen umfassenden kulturwissenschaftlichen Ansatz zu finden. Ziel ist es, durch die Analyse der Bilderfahrzeuge das passende und grundlegende Werkzeug zu liefern, um den Transfer von Bildkonzepten und –formen zu erfassen. In medienwissenschaftlicher Hinsicht liegt der Fokus auf den „Fahrzeugen“ in ihrem jeweils spezifischen historischen Format. Zugleich werden die „Bilder“ als eigentlicher Kern der Forschung betrachtet. Das Projekt nutzt materielle Bilder genauso wie sprachliche und interessiert sich gleichzeitig für zu den Zugang zu Bildern und ihren Gebrauch in den Geisteswissenschaften, der Literatur und den Wissenschaften allgemein.

 

Team

Aus diesen Gründen kooperieren im Projekt Bilderfahrzeuge Kunsthistoriker, Mediävisten, Komparatisten und Philosophen aus Italien, Frankreich, Deutschland, den Vereinigten Staaten, Mexiko und Großbritannien. Das Verbundprojekt setzt sich aus verschiedenen Unterprojekten zusammen, die von materialbasierter kunsthistorischer Forschung (Eckart Marchand, Pablo Schneider, Elenea Tolstichin, Isabella Woldt) über kulturhistorische und literaturwissenschaftliche Themen (Linda Báez Rubí, Rebecca Darley, Philipp Ekardt, Christopher Johnson, Johannes von Müller) bis hin zu historiografischen Analysen im weitesten Sinne reichen (Victor Claass, Maria Teresa Costa, Hans Christian Hoenes, Reinhard Wendler). Diese vielfältigen Studien profitieren von einer engen Zusammenarbeit, die zu einem ständigen Austausch und schließlich sogar zu einer Aufhebung der klaren Abgrenzung zwischen den einzelnen Themenfeldern führt.

 

Struktur

Jede der Institutionen außerhalb von London ist mit zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beteiligt, die an individuellen Projekten arbeiten. Jeweils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter sitzt in Berlin, Florenz, Hamburg und Paris und jeweils eine weitere Mitarbeiterin bzw. ein weiterer Mitarbeiter in London. Demnach sitzen insgesamt vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen Partner am Warburg Institute. Dort arbeiten sie im ständigen Austausch mit ihren Heimatinstitutionen gemeinsam mit ihren Londoner Kolleginnen und Kollegen: drei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, einem Archivar, der Projektassistentin und dem wissenschaftlichen Koordinator. Somit fungiert das Warburg Institute als Zentrum des Projekts Bilderfahrzeuge.

 

Warburg

Das Projekt widmet sich nicht primär der monographischen Warburg-Forschung – auch wenn sich einige wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hierauf konzentrieren. Sicherlich ist die Arbeit des Forschungsprojekts eng mit den Erkenntnissen und Debatten Warburgs und seines Kreises verbunden. Dennoch bilden diese nur das Fundament für die methodischen und theoretischen Detailarbeiten, die im Laufe des Projekts durchgeführt werden. Warburgs Methoden und Ansätze erlauben einen höchst sensiblen Umgang mit Bildern. Diese Fähigkeit ist von grundlegender Bedeutung, da nahezu alle Aspekte des modernen Lebens von Bildern beeinflusst werden. Dies gilt ebenso für die Unterhaltungsindustrie wie für die Darstellung von Waren und für die politische Sphäre. Mit möglicherweise noch schwerer wiegenden Konsequenzen wirken sich Bilder auf alle Bereiche des Wissens und der Forschung aus – nicht nur auf die Geistes- sondern auch die Naturwissenschaften. Ganz zu Beginn dieses neuen Medienzeitalters demonstrierte Warburg die breite Nutzbarkeit seiner Methoden. Er untersuchte die internationale Presse und die Kriegspropaganda über den Verlauf des ersten Weltkriegs unter Gebrauch seiner Erfahrungen im Umgang mit Bildern. Hier zeigen sich die Möglichkeiten, die eine Rekonstruktion und Weiterentwicklung seines Forschungsansatzes mit sich bringt. Dieser Ansatz ist eng verbunden mit der Schule der Ikonologie durch die Person Erwin Panofskys, vielleicht Warburg berühmtesten Schülers und dessen Konzept einer Bildanalyse. Diese Schule der Ikonologie soll als Ausgangspunkt einer neuen, vollständig transkulturellen und transepochalen intellektuellen Forschungsmethode der Bildergeschichte dienen.