DIJ Tokyo
Der Diskurs zur digitalen Transformation in Japan: Analyse anhand des Datenbegriffs
Projektbeginn: 2020
Antragsteller/-in, Sprecher/-in, Projektleitung: Harald Kümmerle
Themengebiet: Ideen- und Geistesgeschichte
Ort: Asien, Japan
Auch wenn die digitale Transformation (d.h. die Veränderungen in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur infolge der rasanten Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnik) eine globale Entwicklung bezeichnet, vollzieht sie sich global nicht nach einem einheitlichen Muster. Denn wie Veränderungen interpretiert werden und insbesondere wie man damit umgehen soll, ist Gegenstand diskursiver Aushandlungsprozesse. Allgemein wirkt Technik nicht einfach auf ihre Benutzer oder potenziellen Benutzer ein, sondern wird von ihnen ko-konstruiert. So haben in Japan Stakeholder aus Politik, Finanzwesen und dem IT-Bereich gemeinsam ein System von staatlich anerkannten „Informationsbanken“ (jōhō ginkō) für das Entstehen eines Datenmarktes eingeführt.

Wie gerade dieses (bisher) japanspezifische Modell entstanden ist, wird in diesem Forschungsprojekt mit einem begriffsgeschichtlichen Zugang untersucht. Forschungsfragen sind: Wie wurde der ursprüngliche europäische Datenbegriff in Japan rezipiert? Wie hat sich die heute dominante Übersetzung dēta im Japanischen als eigener Begriff fortentwickelt? Welche Spezifika der Datenpraktiken in Japan werden unter Rückgriff auf den Begriff dēta formuliert?

Um die Entwicklung des Begriffs dēta herauszuarbeiten, werden Text-Mining-Verfahren aus den Digital Humanities verwendet. Der Hauptkorpus umfasst relevante Redebeiträge im japanischen Parlament, dessen Sitzungsprotokolle seit 1947 vollständig digitalisiert zur Verfügung stehen. Ein weiterer Korpus, der einen anderen Ausschnitt des Diskurses abdeckt und so eine Triangulation ermöglicht, besteht aus Artikeln aus Tageszeitungen. Zur genaueren Einordnung der Entscheidungen, infolge derer der Datenmarkt in Japan nun gerade auf den Informationsbanken aufbauen soll, werden zudem Experteninterviews durchgeführt.

Das Projekt soll zeigen, wie Begriffsgeschichte für die Einordnung nationaler Technologiepolitik genutzt werden kann. Hierdurch wird ein Beitrag zu den Critical Data Studies geleistet, bei denen bisher nur sehr selten Fallbeispiele aus Japan aufgegriffen wurden. Da Daten nicht erst seit „Big Data“ zentral für die Wissensproduktion sind, werden insbesondere auch Kontinuitäten aufgezeigt.