DFK Paris
Frankreich im Zweiten Weltkieg. Edition der Lagerberichte des Militärbefehlshabers Frankreich und der Synthesen der Berichte der Französischen Präfekten
Antragsteller/-in, Sprecher/-in, Projektleitung: Hannes Ziegler
Thema: Frankreich; Zweiter Weltkrieg; Krieg und Militär; Deutschland; NS-Zeit; Quellen/Edition; Bibliotheksgeschichte, Archivgeschichte, Geschichte der Dokumentation; Herrschaft
Themengebiet: NS-/Faschismusgeschichte
Ort: Deutschland, Frankreich
Zeit: 1940-1944
Epoche: Neuzeit
Im Jahre 1998 schlossen der Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und das Deutsche Historische Institut Paris (DHIP) eine auf mehrere Jahre angelegte Konvention ab, der sich kurz darauf die Archives nationales als dritter Partner anschlossen. Mit dieser Konvention verpflichteten sich das DHIP auf deutscher und das Institut d’Histoire du Temps Présent (IHTP) auf französischer Seite als Unterzeichner, sowohl die Synthesen der Berichte der französischen Präfekten als auch die Lageberichte der deutschen Militärverwaltung aus den Jahren 1940–1944 zu edieren. Letztere sind in Frankreich auch als Berichte des Majestic bekannt, benannt nach dem Namen jenes Pariser Hotels in der Avenue Kléber, in dem der deutsche Militärbefehlshaber in Frankreich (MBF) im Zweiten Weltkrieg seinen Amtssitz hatte. Beide Überlieferungen sind für die Geschichte der deutschen Besatzung, der Okkupation, von unschätzbarem Wert.
Die Berichte der Präfekten der Regierung in Vichy waren für den État français die wichtigste Informationsquelle, insbesondere hinsichtlich der Lage in den von den Deutschen besetzten Gebieten. Gespeist aus unterschiedlichen Quellen (über die Stimmung der Bevölkerung beispielsweise durch die Postüberwachung und die Meldungen der Geheimdienste; über die Versorgungslage hingegen informierten die Berichte der Polizei und die Meldungen der damit befaßten Behörden und Dienststellen) bilden sie eine wichtige Quelle für die Erforschung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung sowie dem Herrschaftsapparat und der öffentlichen Meinung in der Vichy-Zeit.
Die Zusammenfassung der Berichte in Form von eigenen Synthesen, die für die besetzte Zone von Jean-Pierre Ingrand verfaßt wurden, der für die besetzten Gebiete eigens für diese Aufgabe vom Innenministerium ernannt worden war, liefert einen interessanten, in sich homogenen und kontinuierlichen Überblick über den gesamten Zeitraum. Die Synthesen verdeutlichen die Haltung der Behörden des État français bei den unterschiedlichsten Ereignissen im besetzten und mit Blick auf die Situation in der Südzone bis zum November 1942 auch im unbesetzten Frankreich.
Die Edition umfaßt die vollständige Wiedergabe der Synthesen und der Lageberichte, die parallel dazu auf seiten des deutschen Militärbefehlshabers in Frankreich verfaßt wurden. Ähnlich wie die Synthesen auf den Präfektenberichten aufbauen, basieren die Lageberichte des MBF ihrerseits auf Informationen, die die verschiedenen nachgeordneten Stellen – angefangen bei den Kreis- und Feldkommandanturen, den Oberfeldkommandanturen sowie schließlich den Militärbezirken A, B, C und der Region um die Stadt Bordeaux – in regelmäßigen Abständen nach Paris meldeten. Sie betreffen sowohl die besetzte Zone einschließlich jener Gebiete, zu denen Franzosen der Zugang nur unter Auflagen gestattet war (Zone réservée und Zone interdite), die beiden Departements Nord und Pas-de-Calais, die dem Zuständigkeitsbereich des deutschen Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich in Brüssel unterstanden, die an das Reich angeschlossenen Gebiete im Elsaß und in Lothringen sowie von November 1942 an auch die bis dahin unbesetzt gebliebene Süd-Zone, die dem deutschen Kommandanten im Heeresgebiet Südfrankreich unterstand.
Ziel war es, diese beiden umfangreichen Quellenbestände in ihrer Originalsprache und – mit Ausnahme der umfangreichen Anlagen zu den Berichten des MBF – jeweils vollständig zu publizieren. Die Berichte vermitteln in regelmäßigen Abständen einen Eindruck davon, wie die französischen und die deutschen Behörden die Lage vor Ort einschätzten und in welcher Weise sie ihre Zuständigkeit durchzusetzen versuchten. Dies ist für das Verständnis des Funktionierens und der Mechanismen der Kollaboration von Staats wegen (Collaboration d’État), der Übereinstimmungen und der Gegensätze zwischen den französischen und den deutschen Dienststellen von großer Bedeutung.