DHI Paris
Bischöfliche Netzwerke in der Kirchenprovinz Reims (1050–1150)
Projektbeginn: Januar 2021
Förderer: DHIP
Antragsteller/-in, Sprecher/-in, Projektleitung: Sebastian Gensicke
beteiligte Personen: Sebastian Gensicke
Thema: Kirchenreformen in der Kirchenprovinz Reims
Themengebiet: Kirchen- und Religionsgeschichte
Ort: Frankreich
Epoche: Mittelalter
Die in ihrem Amt vereinten Aspekte geistlicher und weltlicher Herrschaft lassen Bischöfe eine zentrale Rolle in der Geschichte des hochmittelalterlichen Europas einnehmen. So hatten sie beispielsweise entscheidenden Einfluss auf die tatsächliche Gestalt der zwischen 1050 und 1150 eben nicht nur von den Päpsten forcierten Kirchenreformen in ihren Diözesen. Wenngleich sich für jeden Bischof eine individuelle – und vermutlich nicht konsistente – Position im Spannungsfeld verschiedener Reformideen und Handlungsspielräume ausmachen lassen wird, haben sie selten allein agiert. Gerade in der Reimser Kirchenprovinz lassen sich persönliche Netzwerke von weitestgehend gleichgesinnten Prälaten identifizieren. Die Kooperation oder »konzertierte Aktion«, der Kontakt zu anderen aktiven Reformern und der Rückgriff auf ein weites Beziehungsgeflecht sind somit integrale Bestandteile bischöflicher Reformtätigkeit und Herrschaft gewesen.

Die Kooperation oder »konzertierte Aktion«, der Kontakt zu anderen aktiven Reformern und der Rückgriff auf ein weites Beziehungsgeflecht sind somit integrale Bestandteile bischöflicher Reformtätigkeit und Herrschaft gewesen.

Schnell wird das vielschichtige Beziehungsgefüge innerhalb einer Bischofskohorte als Zirkel, Netzwerk oder gar Freundeskreis interpretiert. In einer Region und Zeit, in der es auf den ersten Blick vor herausragenden »Gregorianern« nur so wimmelt, sind jedoch weitere Analysen notwendig, um einordnen zu können, was der Normalfall bischöflicher Interaktion bzw. Kooperation, was eine situationsgebundene Interessensgemeinschaft und was eine sich selbst als solche begreifende Gruppe mit gemeinsamen Zielen war, zumal der Personenverband die hauptsächliche Form der »Organisation« mittelalterlicher Herrschaft darstellt.

Zur Erfassung, Beschreibung und Analyse der Beziehungen zwischen den Bischöfen untereinander, aber auch zu anderen Akteuren wie Päpsten, Äbten, Herrschern oder Grafen, werden in diesem Dissertationsprojekt Methoden der Historischen Netzwerkanalyse angewandt. Quellengrundlage hierfür sollen in erster Linie die Urkunden und Briefe der Bischöfe, Päpste, Könige und nach Möglichkeit auch Grafen sein. Mit der Nennung von Aussteller, Empfänger, Vertragsgegenstand, möglichen Intervenienten sowie ihren umfassenden Subskriptionslisten bieten die Urkunden Informationen über Kontakte, die in einer Datenbank gespeichert werden können. Die so gewonnen Daten lassen sich dann als Netzwerkgraphen visualisieren und auswerten. Um die Qualität dieser Beziehungen einschätzen zu können, ist ein Abgleich mit der flankierenden Überlieferung notwendig. Das Projekt soll zudem an Fragen zur Erschließung und digitalen Publikation von diplomatischen Quellen sowie den technischen und methodischen Voraussetzungen für eine netzwerkanalytische Auswertung dieses Materials anknüpfen.